In Gedenken an den 09.11.1939

Als am 09. November 1989 nach 40 Jahren der Trennung die Mauer fiel, war dies ein Zeichen der Einheit, ein Zeichen des Friedens für Deutschland. Doch nur 51 Jahre zuvor stand dieser Tag nicht etwa für Freudentränen und Umarmungen, sondern für Furcht, Schrecken und Tod. In nahezu jeder mittelgroßen Stadt brannten die Synagogen. Ausgelöst von einer Hetzrede des nationalsozialistischen Propagandaministers Josef Goebbels plünderten und zerstörten organisierte nationalsozialistische Gruppen und Einzelpersonen jüdische Geschäfte, legten Feuer an den heiligsten Orten der jüdisch-deutschen Bevölkerung und misshandelten, verhafteten und töteten tausende Jüdinnen und Juden. Für den Rest der deutschen Bevölkerung, die teilweise durch Machtlosigkeit oder Ignoranz zurückgehalten am Rand des Geschehens stand, war spätestens nach der Nacht vom 09. auf den 10. November 1938 klar, dass der Antisemitismus in Deutschland ein ganz neues Ausmaß angenommen hatte. Heute sieht man in der Reichspogromnacht das erste, staatlich motivierte Signal zu einem der größten und grausamsten Völkermorde der Geschichte. Eine Tat, die die Geschichte niemals vergessen darf, denn sie erinnert uns alle auf der Welt daran, was passieren kann, wenn Hass die Oberhand gewinnt.

Aus genau diesem Grund nahmen die Klassen 10d und 9b am 10.11.2022, zusammen mit weiteren Schülern von insgesamt 84 Schulen, an einem Zeitzeugengespräch über die online Plattform Zoom teil. Organisiert wurde dieses Gespräch von der Friedrich-Ebert-Stiftung, die sich für politische und gesellschaftliche Bildung sowie internationales Verständnis einsetzt. Frau Ruth Melcer berichtete den Schülern von dem Überfall auf ihr Heimatland Polen als sie gerade einmal 4 Jahre alt war, von ihrer Zeit in Ausschwitz, der Befreiung des Konzentrationslagers am 27. Januar 1945 und vom Leben in einem Land, das noch lange nach Ende des Krieges von den Idealen des Nationalsozialismus zerfressen war. Nur aufgrund einer beabsichtigten Fälschung ihres Alters konnte Frau Melcer als 9-Jährige den Aufenthalt in Ausschwitz, als arbeitsfähig eingestuft, überleben und die Schüler über 80 Jahre später in tiefe Gedanken versetzen.

Noch heute löst die Erinnerung an diesen Tag sogar in den Köpfen der jüngsten Generationen, Betrübtheit und Reue hervor. Und auch wenn diese Generationen doch eigentlich gar nichts für die Tragödie können, ist es besonders wichtig, gerade die jungen Leute aufzuklären. Damit es nicht zu einem „danebenstehen“, sondern einem „beistehen“ kommt, sollte die Gefahr einer Wiederholung in jeglicher Art bestehen. Im besten Fall sollten die Erinnerung an die Vergangenheit natürlich dafür sorgen, dass die Menschheit so etwas nie wieder erfahren muss, doch vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse in der Ukraine und im Iran ist es fraglich, ob diese Menschheit zu so einem Frieden überhaupt bereit ist.

Viele der Schüler waren „froh, das miterleben zu dürfen“, wohingegen die anderen Klassen der 9. und 10. Jahrgangsstufe sich auch eine Teilnahme gewünscht hätten. Denn auch wenn die Stimmung danach geteilt war und eine niedergeschlagene Grundstimmung herrschte, empfand der Großteil der Teilnehmer des JCRG das Erlebnis als „positiv“ und „bereichernd“ für ihre persönliche und soziale Bildung. Dabei hätten sich einige eine bessere Vorbereitung auf das Thema gewünscht. Eine frühere Aufarbeitung der NS-Zeit im Unterricht wird der straffe Lehrplan des bayrischen Kulturministeriums wohl nicht zulassen, doch wie sähe es mit einer vermehrten Teilnahme an ähnlichen Bildungsveranstaltungen aus? Wäre dies im Interesse der Schüler und Lehrer?

Emma Putzier, Q12