Das hätte der Sommer unseres Lebens werden sollen.
Ein letzter Urlaub mit den Freunden, bevor wir auseinander geweht werden wie die Samen einer Pusteblume.
Nochmal zusammen auf einer Bierbank stehen bis man jeden Wiesenfestklassiker auswendig kann, bevor man Franken, Bayern, Deutschland verlässt.
Die Zeit genießen bevor man den Ernst des Lebens auf einem Universitätscampus oder am Ausbildungsplatz trifft.
Auf dem Abiball feiern, das zwei Jahre Leistungsdruck vorbei sind, und in Ballkleidern und Anzügen beim Tanzen den Alkohol ausschwitzen, während Songs aus unserer Schulzeit über die Lautsprecher und Erinnerungen an die letzten Jahre in unseren Köpfen abgespielt werden.
Beim Abischerz der Schule Adieu wünschen und den Lehrern was zurück und den Kleinen was zum Reden geben.
Nochmal zeigen, dass der Jahrgang, wie alle, einzigartig ist und mit den Lehrern grillen. Mit ihnen lachen und die „Ich brauch’ noch eine Note von dir“-Beziehung ablegen.
Aber das wird es für uns nicht geben.
Jeder sagt, wir würden uns ewig an diese Zeit und unser Abitur erinnern.
Aber an was?
An die Gesichter der Freunde und deren tröstendes Lächeln hinter Masken versteckt und leere Gänge mit Richtungspfeilen und „Kein Durchgang“-Schildern.
An einsame Schulklos und Spiegel, die das Alleinsein reflektieren, während ein Lehrer vor der Tür sitzt und wie die Türsteher vor den Clubs, in die wir nicht mehr gehen können, den Einlass kontrolliert.
30 Sekunden Händewaschen sind lang, wenn du alleine bist und doch so schnell rum, wenn es 30 Sekunden deiner restlichen Schulzeit sind.
Wir sitzen die Pausen und die letzte Zeit in den Klassenzimmern an Einzeltischen ab.
Man ist alleine mit seinen Gefühlen und der Angst, wenn eine Umarmung nicht erlaubt ist.
Wenn deine Freunde 1,50m Abstand halten müssen, ist der Heulkrampf näher als sie.
Ich sollte mich auf eine Prüfung konzertieren, an die während einer Krise keiner so wirklich denken kann, aber während Don McLean sich über meinen Plattenspieler von Miss American Pie verabschiedet, trauere ich um meine Abizeit.
Das hätte der Sommer unseres Lebens werden sollen.
Aber die Bierzelte werden nicht aufgebaut und die Urlaubspläne mit einem naiven „vielleicht ja nächstes Jahr“ gestrichen.
Die Kleider bleiben im Schrank und die alten Hefte werden statt auf dem Schulhausboden, in der eigenen Papiertonne entsorgt.
Der Glanz bröckelt leise von der Betonfassade ab und statt mit einem Knall zu gehen, verblassen wir, socially distanced, jeder für sich.
Der Jahrgang 2020.
Sigena Süßmann, Q12